Der Dark Tourism ist eine Art von Tourismus, der in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erhalten hat. Fernsehsendungen wie Tschernobyl und The Dark Tourist haben im Bewusstsein vieler Touristen auf der ganzen Welt das Konzept des Dark Tourism etabliert. Aber was ist Dark Tourism? Ist Dark Tourism ethisch vertretbar? Wie kann man ein „guter“ Dark Tourist sein?
In diesem Beitrag werden wir das Konzept des Dark Tourism beschreiben, erklären, warum der Dark Tourism so beliebt ist, und einige Beispiele für Dark Tourism Stätten nennen. Wir werden auch die ethischen Aspekte des Dark Tourism diskutieren, die etwas umstritten sind.
Geschichte des Ausdrucks „Dark Tourism“
Der Begriff „Dark Tourism“ wurde erstmals 1996 von John Lennon und Malcolm Foley geprägt. In einem Essay analysierten die beiden Tourismusforscher aus Großbritannien die Faszination des Attentats auf JFK. Ihr Text „JFK and dark tourism: A fascination with assassination“ findest du hier online.
Dark Tourism (auch Schwarztourismus, Dunkeltourismus oder Trauertourismus) wurde als Tourismus definiert, der Reisen zu Orten beinhaltet, die historisch mit Tod und Tragödie in Verbindung gebracht werden. In jüngster Zeit wurde vorgeschlagen, dass das Konzept auch Gründe für den Besuch von Touristen an diesem Ort umfassen sollte, da die Eigenschaften des Ortes allein einen Besucher nicht zu einem „Dunkeltouristen“ machen. Der Hauptreiz für dunkle Orte ist ihr historischer Wert und nicht ihre Assoziationen mit Tod und Leid. Der Holocaust-Tourismus enthält sowohl Aspekte des Dark Tourism als auch des Tourismus des Kulturerbes.
Es gibt bereits ein “Institut of Dark Tourism“ an der Universität von Central Lancashire.
Weitere Bezeichnungen für Dark Tourism
„Dark Tourism“ wird auch „Thanatourism“ bzw. „Thanatourismus“ genannt, was sich aus den Griechischen vom Namen des Totengottes Thanatos ableitet. Er ist auch in der Psychologie ein Begriff und bezeichnet dort den Todestrieb und das Gegenteil des Eros.
Eine weitere Bezeichnung ist „Grief Tourism“, abgeleitet vom englischen Ausdruck „grief“ was sich auf Deutsch in Trauer, Leiden oder Schmerz übersetzt. Fuür weitere Informationen uüber die Theorie des Dark Tourism schlagen wir vor, die Bachelor-Thesis von Evelyn Schönfeld der Hochschule Bremen zu lesen.
Der Akt des Dark Tourism ist etwas umstritten, wobei einige ihn als einen Akt des Respekts und andere als unethische Praxis ansehen.
Beliebte Attraktionen des Dark Tourism sind Auschwitz, Tschernobyl und Ground Zero. Weniger bekannte Attraktionen des Dark Tourism sind Friedhöfe, Zombie – Veranstaltungen oder historische Museen.
Das Spektrum des Dark Tourism
Dark Tourism umfasst viele verschiedene „dunkle“ Aktivitäten. Diese können vom Besuch einer Attraktion wie den London Dungeons reichen, wo man die Menschen lachen und scherzen sieht (wusstest du, dass es mit einer höhenbeschränkten Fahrt endet, die das Erhängen von Menschen imitiert!) bis hin zu Touristen, die zu den Schauplätzen einer Katastrophe eilen, um Hilfe und Unterstützung zu gewähren. Das sind natürlich zwei sehr unterschiedliche Bereiche des dunklen Tourismus-Spektrums.
Um den Sektor des Dark Tourism besser zu verstehen, können wir Aktivitäten nach dem Spektrum des Dark Tourism organisieren.
Am einen Ende des Spektrums (dem dunkelsten Ende) haben wir extreme oder ernsthafte Dunkeltourismusaktivitäten. Dies sind Aktivitäten, die oft ein erzieherisches Element beinhalten, wie z.B. das Lernen über eine Nuklearkatastrophe oder ein Schiffswrack. Aktivitäten an diesem Ende des Spektrums sind mit einer authentischen Erfahrung verbunden, wobei der Tourist eine tatsächliche historische Stätte besucht oder mit Menschen spricht, die daran beteiligt waren. Beispiele sind der Besuch der Berliner Mauer oder Tuol Sleng und die Killing Fields in Kambodscha.
Am anderen Ende des Spektrums sind die Aktivitäten eher kommerzieller Natur. Eine Kirmesfahrt zum Thema Jack the Ripper oder ein komisches Bühnenstück über die Schwarze Pest sind romantische Versionen dunkler Ereignisse oder Zeiten in der Geschichte. Es geht dem Touristen darum, Spaß zu haben und sich zu amüsieren, und nicht darum, sich über den besagten historischen Bezug zu informieren.
Warum ist Dark Tourism so beliebt?
Die Frage ist, warum der Dunkeltourismus so beliebt ist. Warum besuchen wir Orte des Todes und der Tragödie? Was ist es, das uns zu solchem Leid hinzieht?
Für viele ist es die reine Möglichkeit, an einem Ort der Tragödie emotional auf sich selbst bezogen zu sein. Es ist wichtig, dass die Menschen sich auf die Geschichte und Kultur der Vergangenheit einlassen und in sie eintauchen. Durch den Besuch dunkler touristischer Stätten können wir uns Zeit nehmen, um über die Geschichte nachzudenken.
Der Dark Tourism ist eng mit dem Bildungstourismus verbunden. Besonders in Fällen von darkest/ darker Tourism (siehe Grafik oben). Für viele Menschen ist dies eine dominierende, wenn nicht sogar die Hauptmotivation, ein Dark Tourist zu sein. Auch wenn Dunkeltourismus keine glückliche Freizeiterfahrung ist, genießen viele Menschen den erzieherischen Aspekt, der damit einhergeht. Beispielsweise, wenn man auf den Reisen nach Berlin und Polen berühmte Friedhöfe besucht, um mehr über den Zweiten Weltkrieg zu erfahren.
Die Besucher dunkler Tourismusstätten gehören einer breiten soziodemographischen Gruppe an. Ihre Motivation ergibt sich aus pädagogischen Gründen, dem Wunsch, vergangene Ereignisse zu verstehen, usw. Andere Motivationen ergeben sich aus dem Wunsch, etwas anderes oder Neues zu erleben.
Arten von Dark Tourism
Laut Stone (2006) gibt es sieben Haupttypen von dunklen Tourismusstätten.
1 – Dunkle Vergnügungsbetriebe
Vergnügungsbetriebe sind im Wesentlichen Spielzentren. Während diese normalerweise mit Kindern in Verbindung gebracht werden, können sie sich auch an Erwachsene richten. Es gibt zum Beispiel Fluchträume, die sich um ein dunkles Thema herum entwickeln, Zombie-Jagden oder theatralische Aktivitäten, die alle in dunklen Spaßfabriken stattfinden.
2 – Dunkle Ausstellungen
Es gibt viele verschiedene dunkle Ausstellungen auf der ganzen Welt. In Berlin kann man zum Beispiel den Holocaust in den Mittelpunkt der Besuche stellen, während es in Kambodscha zahlreiche Ausstellungen über das Regime der Roten Khmer oder Ausstellungen über den Vietnamkrieg und vieles mehr gibt.
Dunkle Ausstellungen sind eine gute Gelegenheit für Touristen, sich auf respektvolle Weise über die dunkle Geschichte oder die Ereignisse eines Reiseziels zu informieren.
3 – Dunkle Verliese (Dungeons)
Viele Reiseziele öffnen ihre historischen Verliese für die Öffentlichkeit. Diese können sich in ihrem ursprünglichen Zustand befinden oder für Führungen verändert worden sein. Die London Dungeons beispielsweise sind in der Art und Weise, wie sie Live-Schauspieler, sensorische Aktivitäten und Fahrgeschäfte umfassen, eher „disneyfiziert“ geworden.
4 – Dunkle Ruhestätten
Es gibt einige wirklich interessante Friedhöfe, die in der ganzen Welt besucht werden können. Der Besuch eines Friedhofs steht zwar nicht auf jeder Touristenliste ganz oben, aber man wird überrascht sein, wie belebt diese Orte sein können! Einige berühmte Friedhöfe, die besichtigt werden können, sind der Ölberg in Jerusalem, der Recoleta-Friedhof in Argentinien und das Lenin-Mausoleum in Moskau. Wusstest du, dass das Taj Mahal auch eine dunkle Ruhestätte ist?
5 – Dunkle Schreine
Es gibt viele Schreine auf der ganzen Welt, die beliebte Touristenattraktionen sind, wie der berühmte Felsendom in Jerusalem. Schreine sind besonders in asiatischen Ländern beliebt.
6 – Dunkle Kriegsschauplätze
Konfliktgebiete werden oft zu dunklen Orten des Tourismus, sobald der Frieden wiederhergestellt ist und eine angemessene Zeitspanne verstrichen ist. Eine der interessantesten Konfliktstellen, die man besuchen kann, ist Vietnam, wo man alles über den Vietnamkrieg erfährt. Auch die D-Day-Strände in Frankreich sind sehr sehenswert.
7 – Dunkle Genozidlager
Es gibt mehrere Orte des Völkermords, die bei Touristen beliebt sind. Obwohl dies offensichtlich eine sehr bedauerliche Geschichte ist, besuchen viele Menschen Orte wie Auschwitz oder Karaganda, Kasachstan, um mehr über die Geschichte zu erfahren.
Etwas, das Stone in seiner Liste der Katastrophenorte nicht erwähnt hat, ist eine weitere wesentliche Form des Dunkeltourismus, die wir weiter unten ergänzen.
Dunkle Katastrophen
Katastrophenorte, ob unmittelbar nach der Katastrophe oder erst nach einiger Zeit, sind bei Dark Tourists sehr beliebt. Der Katastrophentourismus, eine Untergruppe des Dunkeltourismus, hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Die jüngste Dokumentation über Tschernobyl, die als die am besten bewertete Fernsehserie aller Zeiten eingestuft wurde, hat dazu beigetragen, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für den Katastrophentourismus zu schärfen, und der Tourismus in diesem Gebiet hat seitdem deutlich zugenommen.
Es gibt eine Vielzahl von Arten des Dunkeltourismus, die unter die Rubrik „Dark Tourism“ fallen, darunter:
- Holocaust-Tourismus
- Katastrophen-Tourismus
- Grab-Tourismus
- Tourismus des Kalten Krieges
- Atomtourismus
- Gefängnis- und Verfolgungsstättentourismus
Obwohl jedes dieser Konzepte eine eigene Art von Tourismus darstellt, weisen sie doch viele Gemeinsamkeiten auf und werden daher zusammen unter dem Oberbegriff des Dark Tourism klassifiziert.
Dark Tourism Reiseziele
Es gibt eine Vielzahl von Katastrophen-Tourismusdestinationen (mehr als man sich vorstellen kann!), von denen viele als dunkle Tourismusdestination übersehen werden.
Im Folgenden haben wir einige Beispiele für Dunkeltourismus-Ziele aufgeführt, die alle die verschiedenen Arten von Dunkeltourismus, wie oben aufgeführt, demonstrieren.
- Friedhöfe, Gruften, Ruhestätten, Schreine, Beerdigungsrituale
- Kirche in Sedlec (Ungarn) in dem die Inneneinrichtung aus menschlichen Knochen gebaut wurde.
- Totenfeiern in Asien (An denen Leichen herumgetragen werden.)
- Totengötter
- Voodoo-Rituale
- Sedlec Ossuary
- Gefängnisse und Verliese
- Alcatraz
- Katakomben von Paris – Hier wurden die Gebeine von Toten abgelegt, aufgeschichtet und hinterlassen.
- Kriegstunnel in Sarajevo
- Robben Island Prison
- Museen die sich dem Tod widmen
- Nuklearunglücke
- Fukushima
- Hiroshima
- Tschernobyl und Prypjat
- Bikini Atoll
- Orte des Genozids, Massengräber, Kriegsverbrechen
- Killing Field in Kambodscha (Der Ort an dem die Roten Khmer mehr als 100.000 Menschen umgebracht haben.)
- Konzentrationslager (Auschwitz)
- Ruanda Genozid
- Schlachtfelder, Kriegsschauplätze
- Ehemalige Sperrzonen
- Hiroshima und Nagasaki (Hier wurden Atombomben im Zweiten Weltkrieg abgeworfen.)
- Irak
- Orte des Ersten Weltkrieges (Verdun)
- Orte des Zweiten Weltkrieges (Konzentrationslager wie Ausschwitz)
- Syrien
- Kambodscha mit den Killing Fields
- Oradur Sur Glane
- Pompeji
- Stillgelegte Gefängnisse, Nervenheilanstalten, Krankenhäuser
- Unglücksorte
- Costa Concordia (Verunglücktes Kreuzfahrtschiff)
- Grenfell Tower in London (Dieser brannte 2017. Dabei kamen 72 Menschen ums Leben.)
- Ground Zero
- JFK Ermordung
- Orte an denen Pablo Escobar und das Medellín-Kartell aktiv waren (Dies wird auch Narco Tourismus genannt.)
- Orte an denen Mörder gelebt haben und aktiv waren, wie Charles Manson
- Orte an denen Serienmörder gelebt oder gemordet haben
- Island of the Dolls
- Orte des Terros
- 9/11 Memorial in New York
- Selbstmord-Wald in Japan
- Tatorte
Die Ethik des Dark Tourism
Ist es also wirklich ethisch vertretbar, Orte des Todes und der Tragödie zu besuchen? Oder diejenigen zu fotografieren, die weiterhin um alles trauern, was verloren ist? Oder sich an einem Ort der Trauer selbst zu fotografieren? Viele Menschen stellen in der Tat die Ethik der Teilnahme am Dark Tourism in Frage.
Ein Beispiel dafür ist die Reaktion auf den jüngsten Zustrom von Instagram-Fotos, die in Tschernobyl aufgenommen wurden. Wie dieser Zeitungsartikel zeigt, gab es Empörung über die so genannten „Influencer“ und ihre unangemessenen Fotos, die an der historischen Nuklearanlage aufgenommen wurden, wo sich die Menschen als Wissenschaftler verkleidet oder in Unterwäsche posiert haben.
Die meisten würden zwar zustimmen, dass dies kein nachhaltiges Touristenverhalten ist, aber es gibt eine Reihe von Ansichten darüber, was angemessen ist und was nicht, wenn man an Dark Tourism teilnimmt.
Als allgemeiner Leitfaden ist hier jedoch eine Liste mit einigen Verhaltensweisen von Dark Tourists aufgeführt, die als beleidigend oder unangemessen angesehen wurden:
- Fotografieren von Menschen in Momenten der Trauer
- Lächeln und Lachen um die Betroffenen
- Menschen wie Museumsexponate behandeln
- Unangemessene Bemerkungen machen
- Das Tragen respektloser Kleidung
- Verwendung unangemessener Sprache
- Teilnahme am Katastrophentourismus zur persönlichen Bereicherung (z.B. persönliche Zufriedenheit, zur Verbesserung des Lebenslaufs usw.)
- Geld aus den Nöten anderer machen
- Laut über nicht zusammenhängende Themen sprechen
- Allgemeine Anzeichen von Respektlosigkeit zeigen
Weiterführende Informationen zum Thema
Der Schwarze Tourismus – eine kritische Betrachtung – Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Touristik / Tourismus, Note: 1,3, Hochschule Deggendorf
Don’t Go There: From Chernobyl to North Korea—one man’s quest to lose himself and find everyone else in the world’s strangest places – eine urkomische Reiseerinnerung voller interessanter Charaktere, unbequemer Momente, ungewöhnlicher Reiseziele und britischem Humor, die Liebhaber von Bill Bryson, Douglas Adams und David Sedaris ansprechen wird.
The Darker Side of Travel: The Theory and Practice of Dark Tourism (Aspects of Tourism) – Eine Zusammenfassung der konzeptionellen Themen und Debatten rund um den Dark Tourism.
The Dark Tourist: Sightseeing in the world’s most unlikely holiday destinations – Eine humorvolle Erzählung, in der Dom sich auf die Suche nach den Reisezielen begibt, vor denen der durchschnittliche Tourist davonlaufen würde und sollte.
Dark Tourism – In diesem Buch wird der „Dark Tourism“ untersucht, d.h. die Darstellung von unmenschlichen Handlungen und wie diese für Besucher an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt interpretiert werden, zum Beispiel an den Stätten von Konzentrationslagern in West- und Osteuropa.